Besitzt die Presse einen Anspruch auf Übersendung einer Urteilskopie in einem noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren?
Ja, in Verfahren, die im besonderen Fokus der Öffentlichkeit stehen - es sei denn, es bestehen konkrete Anhaltspunkte für die unmittelbare und dringende Gefahr einer Vereitelung, Erschwerung, Verzögerung oder Gefährdung der sachgemäßen Durchführung eines Strafverfahrens:
Mit Beschluss vom 14.09.2015 - 1 BvR 857/15 - hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts der Verfassungsbeschwerde eines Zeitungverlags gegen eine Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts stattgegeben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Das Oberverwaltungsgericht hatte es im Eilrechtsschutzverfahren abgelehnt, einen Landgerichtspräsidenten zur Zusendung einer anonymisierten Urteilskopie über ein von hohem Medieninteresse begleitetes Strafverfahren zu verpflichten. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verletzt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die vom Oberverwaltungsgericht angeführten Gründe ließen eine Gefährdung des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens oder weiterer Strafverfahren nicht erkennen.